ASCII ART - UNITING TROUGH STANDARDS



ASCII Art ist eine Bildform, die sich als einzigem Material des ASCII Codes bedient. Der ASCII Code ist 1963 entwickelt und 1968 als Industriestandard vom Amerikan Institute for Information Interchange verabschiedet worden. Er besteht in seiner ursprünglichen Version aus einer Kodierung von 128 Zeichen durch die Zahlen 0 - 127. Viele der Sonderzeichen sind aus dem kaufmännischen Sprachgebrauch entnommen worden (z.B:: $, &, % usw.), wobei die Auswahl des gesamten Zeichensatzes durch die amerikanische Kultur bestimmt ist. Sonderzeichen wie "@", "$" usw. besitzen piktorale Qualitäten, entwickeln in bzw. erhalten durch ihren Gebrauch Symbolcharakter, oder werden auch als lautsprachliche Abbildungen wieder in den Text als Buchstabe integriert (z.B. CA$H, @MOSPHERE, ...).

Durch den ASCII Code erhält der Text wieder Bildcharakter und kommt gleichzeitig der Tendenz des digitalen Bildtextes entgegen. Die Zusammenfügung von Text und Bild entsteht durch die spezifischen Eigenschaften des Hypertextes im WWW, der Bilder, Piktogramme und Text zu einer Einheit innerhalb einer Sequenz von Seiten verschmilzt. Die Differenz von Sprache und Bild ergab sich historisch aus den ihnen zugeschriebenen Funktionen: Sprache beschreibt, das Bild bildet ab. Diese Aufgabenteilung ist jedoch nicht zwingend aus den Medien selbst abzuleiten. So ist es immer auch möglich gewesen diese arbiträre Unterscheidung aufzuheben. Anfängliche, bewusst künstlerische Auseinandersetzungen mit diesem Thema sind in der visuellen Poesie zu finden. Ein Text, der in seiner Erscheinung auf eine bildliche Wirkung hinzielt und als gestalterisches Mittel den Ascii Schriftzeichensatz verwendet, ist ASCII Art.

ASCII Art ist, wie zum Beispiel die expressive Malweise, ein Stilmittel. ASCII Art ist keine Typographie.  Denn anders als die Typographie besteht in der ASCII Art nicht der Anspruch, den Textfluss bzw. dessen Erscheinung als lesbaren Text zu gestalten, vielmehr will ASCII Art mit Hilfe der Buchstabenzeichen abbilden, Bilder erschaffen, Bilder schreiben und als eigene Qualität innerhalb des Hypertextes verwenden. Intention und Verwendung lassen die ASCII Art leicht von der Typographie unterscheiden. Nicht die Gestaltung des einzelnen Literals ist das Ziel, sondern der einzelne Charakter der Buchstaben wird sozusagen roh belassen und als bloßes Material dem gesamten Bild und dessen ästhetischer Bedeutung untergeordnet. Die ästhetische Wirkung definiert sich in den meisten Fällen nicht nur über die verwendeten Mittel, sondern durch die Strukturen, die Bedeutung, den gesellschaftlichen Kontext und die Technik. Auf diese Weise sind auch in der ASCII Art einzelne Werke bzw. Personen ausgezeichnet durch ein bewusstes Arbeiten an eben diesen Aspekten. Größtenteils begegnen uns aus der populären Bildwelt bekannte Darstellungen; Neuinterpretationen, einfache Transformationen und endlose Variationen wechseln sich auf den Kollektionsseiten ab.

Die Quantität dieses Stils und seine Verbreitung sind erstaunlich und in seiner technischen Simplizität ist er eher mit dem Fotografieren als mit dem Zeichnen zu vergleichen. Der Wille mit einfachen technischen Mitteln etwas bildlich zu gestalten zeigt sich deutlich in der Menge an figürlichen Darstellungen. Nur wenige Arbeiten stehen als Solitär unter einem eigenen Titel und einer eigenen Domain als Netzkunstwerke im Netz. Die Masse der Arbeiten ist zum Gebrauch in der Kommunikation im Netz bestimmt, als Textelemente oder Illustrationen und als freie Bildwerke werden sie verschickt und getauscht. So hat die ASCII Art in ihrem Gebrauch den Text nicht verlassen, ihn jedoch mit dem Bild versöhnen können. ASCII Art begann sich, bedingt durch die technischen Entwicklungen der 90er Jahre, neue Ausdrucksformen anzueignen. Die Bilder erhielten Farbe, Bewegung und dehnten sich in den Raum aus.

Das Genre teilt sich in verschiedene Stile: Kontur, Binnenformen (mit bzw. ohne Kontur), farbige Buchstaben, bewegte Konturzeichnungen, bewegte volle Binnenformen, auf Java basierende Animationen, Graustufen - Konvertierungen von .gif, .png .jpeg Vorlagen.

ASCII Art wird weltweit erschaffen, sie ist kein lokaler Stil. Dies wird ermöglicht durch die schnelle Distribution und die geringen technischen Voraussetzungen, die nötig sind, um Asciibilder zu erzeugen. Der Distributionsaspekt verbindet ASCII Art mit der Mailart und Copyart. Die unterschiedlichen Stilmittel, die sich vom Herstellungsprozess ableiten, sind unterschiedlich stark vertreten. Die Konturarbeiten und die konvertierten Vollformen überwiegen deutlich in der Anzahl der produzierten Arbeiten.

Da die meisten Werke zur Verbreitung, Veröffentlichung entworfen wurden, richten sie sich an ein breites Publikum und versuchen es meistens direkt zu bedienen (anders als z.B. Graffiti welches sich an ein sehr spezielles Publikum wendet), in dem häufig Formen bzw. Symbole benutzt werden die sich in den Konventionen und im Gebrauch schon bewährt haben, sie deren Bedeutung im Vorhinein schon bekannt ist und so nur eine neue, persönliche Interpretation erhalten. Man könnte deshalb ASCII art als eine Methode verstehen, sich die Bildwelten des Fernsehens, der Zeitungen und der Werbung anzueignen und über den ASCII Code in die digitale Welt der Computernetze zu vermitteln. Auf diese Weise ergibt sich ein Querschnitt der beliebtesten Bilder und Genre unter den meist männlichen Nutzern des WWW. So gibt es unzählige Pornobilder(Sites), Comics bzw. Manga, Startrek bzw. Star War's und Logos, die deutlich die Infantilen Gelüste der User befriedigen.

Prominente Netzkünstler griffen die ASCII Art mit unterschiedlichen Intentionen auf und schufen Werke, die mit zu den Spannendsten Ausdrücken innerhalb der ASCII Art zählen. Durch das Entwickeln spezieller Software (A. Deck, aae) und den selbstreflexiven Umgang mit der ASCII Art verschieben sich die Grenzen vom traditionell Abbildhaften in den Diskursrahmen aktueller Kunstformen. Dabei wird der populäre Charakter der ASCII Art aufgegriffen und gleichzeitig dekonstruiert. So konvertiert das ASCII Art Ensemble das meist verkaufte Video der Welt in ASCII, wodurch sich dessen Gebrauchsfunktion auf ein Minimum reduziert und die ästhetische Wirkung der Manipulation in den Vordergrund rückt. Auch jodi.org verschieben die Perspektive von den populären Zeichen, Icons auf die Wirkung, was sie durch eine radikale Dekonstruktion der ASCII Art Vorlagen erreichen. Sie greifen jedoch nicht auf Bilder außerhalb der ASCII Art zurück, sondern bedienen sich aus dem überreichen Vorrat im Netz vorhandener ASCII Bilder. Den Reiz der Arbeit stellt das verunsichernde, chaotische Moment dar. Doch durch die interne Dateistruktur und den Text bezogenen Aufbau dieser Arbeit thematisieren sie mehr als nur die konventionellen Rezeptionsgewohnheiten, sondern auch dem Umgang mit dem Computer im allgemeinen und unser Verhältnis zum Interface im Besonderen.
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